1470 Desktop Die gro e Entlastung

Manchmal ist es nötig, eine depressive Erkrankung vollstationär oder teilstationär zu behandeln. Vollstationär bedeutet: Du verbringst für einen bestimmten Zeitraum (oft mehrere Wochen bis mehrere Monate) deinen gesamten Alltag in einer Spezialklinik und übernachtest dort auch. Teilstationär oder in einer Tagesklinik bedeutet: Du bist für mehrere Wochen oder Monate von montags bis freitags in der Klinik, am späten Nachmittag oder frühen Abend aber gehst du immer nach Hause und übernachtest dort auch. Hier findest du ein Video zu Erfahrungen in einer Tagesklinik.

So läuft das in der Kinder- und Jugendpsychiatrie ab

Ein ganzes Team aus Ärzt*innen, Pflege- und Erziehungskräften, Fachtherapeut*innen und Kreativtherapeut*innen kümmert sich um dich. Wobei sich die Kinder- und Jugendpsychiatrien von normalen Krankenhäusern unterscheiden. Denn du brauchst eine Umgebung, die deinem Alter entspricht – und die dich entspannt und entlastet. Das Fachpersonal hier trägt deshalb zum Beispiel meist keine Kittel, und die Behandlungsangebote – Freizeit- und Spielangebote genauso wie therapeutische Gruppenangebote – sind genau auf dein Alter und deine Entwicklung ausgerichtet. Übrigens: Auf den schulischen Unterricht musst du nicht verzichten, der findet in sogenannten Klinikschulen statt.

466 19 02 Station re Behandlung Depression behandeln

Während des stationären Aufenthalts bekommst du einen Wochenplan, der dir hilft, deine ganze Woche „auf Station“ zu strukturieren. Er ist individuell abgestimmt und wird mit dir besprochen. So weißt du immer, was als Nächstes kommt: Essenszeiten, Aufsteh- und Zubettgehzeiten, der Schulunterricht, die verschiedenen Psychotherapieangebote (Einzelpsychotherapie, Gruppenpsychotherapie), die Kreativtherapien (wie z.B. Kunsttherapie), die Familiengespräche. Und natürlich weißt du so auch, wann du Freizeit hast. Beim vollstationären Aufenthalt bist du entweder in einem Einbettzimmer oder in einem Mehrbettzimmer zusammen mit anderen Kindern und Jugendlichen deines Geschlechts untergebracht. Auf jeder Station gelten bestimmte Regeln, die z.B. festlegen, wann Ruhezeiten und Besuchszeiten sind oder wann und wie lange du das Smartphone benutzen darfst. Diese Regeln geben dir Struktur und tragen dazu bei, dass das Zusammenleben auf der Station gut funktioniert.

Während deines Aufenthalts wird dir wahrscheinlich eine Bezugstherapeutin oder ein Bezugstherapeut zugeteilt, die dann die Einzelpsychotherapie mit dir und die Familiengespräche übernehmen. Außerdem gibt es eine Bezugsbetreuerin oder ein Bezugsbetreuer aus dem Pflege- und Erziehungsdienst (PED), mit dem oder mit der du alle deine alltäglichen Probleme besprechen und deine Sorgen teilen kannst. Der PED unterstützt dich z.B. beim Einhalten des Wochenplans.



Falls du dich fragst, ob du Besuch von deiner Familie bekommen, mit ihr telefonieren oder mit deinen Eltern auch mal Ausflüge machen kannst: Klar, kannst du – sobald es dir gut genug geht. Gegen Ende der Therapie darfst du auch mal übers Wochenende nach Hause, um „dein normales Alltagsleben“ zu testen. Du probierst zuhause in gewohnter Umgebung Verhaltensweisen aus, die du während des Klinikaufenthalts gelernt hast. Wie häufig und wann solche Ausflüge und Wochenendbesuche stattfinden, hängt auch davon ab, wie schwer du erkrankt bist, und davon, wie belastbar du und deine Familie seid.

Damit du während eines teilstationären oder stationären Aufenthalts nicht den Anschluss an die Schule verlierst, gibt es sogenannte Klinikschulen. Sie sind in unmittelbarer Nähe der Klinik bzw. manchmal auch im gleichen Gebäude untergebracht. In den Klinikschulen werden Kinder und Jugendliche unterschiedlichen Alters und unterschiedlicher Schularten zusammen unterrichtet (z.B. werden die Klassenstufen fünf bis sieben zusammengelegt); allerdings sind die Klassen viel kleiner als in der Heimatschule, eine Klasse hat hier nur vier bis acht Schüler*innen. So können sich die Lehrer*innen sehr gut um die einzelnen Schüler*innen kümmern und dafür sorgen, dass sie den Unterrichtsstoff der Heimatschule weiterlernen. Der Unterricht in der Klinikschule ist oft kürzer als in der Heimatschule. Je nach Belastbarkeit der Kinder und Jugendlichen und je nach Schwere der Erkrankung wird der Unterricht häufig auf einzelne Stunden beschränkt oder zeitweise (z.B. zu Beginn einer Behandlung) ganz ausgesetzt. Vor dem Ende des stationären Aufenthalts unternimmst du wahrscheinlich auch mal einen sogenannten Außenschulversuch, damit dir der Übergang von der Klinikschule in die Heimatschule leichter fällt. Das bedeutet: Du bist noch teilstationär oder stationär in der Kinder- und Jugendpsychiatrie, gehst aber für ein paar Stunden (oder auch den ganzen Tag) in eine Schule in der Nähe der Klinik. Du schnupperst Schulnormalität.

Während des Aufenthalts findet normalerweise ein- bis zweimal wöchentlich eine Einzelpsychotherapie (siehe „Psychotherapie“) statt. Dabei arbeitet eine Bezugstherapeutin oder ein Bezugstherapeut in der Regel in einem 50-minütigen Gespräch mit dir an Problemen – fördert aber auch deine Stärken. Außerdem gibt es verschiedene Formen von Gruppenpsychotherapie zusammen mit anderen Kindern und Jugendlichen, die in bestimmten Bereichen ähnliche Schwierigkeiten haben. Es gibt z.B. Schlafgruppen, in denen es um die Verbesserung des Schlafes geht, oder Gruppen für soziales Kompetenztraining, in denen es um die Verbesserung der sozialen Fähigkeiten – beispielsweise das „Nein-sagen-lernen“– geht. Ganz wichtig: Regelmäßig werden deine Eltern oder auch andere wichtige Bezugspersonen (z.B. Geschwister, Großeltern) zu Familiengesprächen mit der Bezugstherapeutin oder dem Bezugstherapeut eingeladen. In den Gesprächen geht es darum, wie sie dich während der Behandlung und danach am besten unterstützen können.

Ein weiteres Angebot sind Kreativtherapien wie Kunsttherapie, Musiktherapie, Ergotherapie (siehe „Künstlerische Therapien“). In der Kunsttherapie kannst du zum Beispiel mit Ton deine Gefühle zum Ausdruck bringen. Manche Kinder- und Jugendpsychiatrien bieten auch Sport- und Bewegungstherapie, Arbeitstherapie, Tanztherapie, tiergestützte Therapie usw. an. Außerdem gibt es je nach Klinik verschiedene Freizeitangebote: Kochgruppen, Klettergruppen, Ausflüge und vieles mehr. Du darfst natürlich auch Besuch von Freund*innen bekommen, wenn du das möchtest und es therapeutisch sinnvoll ist. Um dich möglichst schnell wieder an die Alltagsherausforderungen heranzuführen, ist es sogar wichtig, dass du nach Absprache mit den Bezugstherapeut*innen bzw. dem PED Aktivitäten außerhalb der Kinder- und Jugendpsychiatrie unternimmst, dich z.B. mit Freund*innen triffst und ihr zusammen ins Kino geht. Auch hier gilt: Welche Freizeitangebote dir helfen und wann und für wie lange du die Klinik verlassen darfst, hängt von vielen Faktoren ab – deinem Alter, deinem Krankheitsbild, wie schwer erkrankt und wie belastbar du bist.

VORALLEM WICHTIG: ENTLASTUNG

Viele sind erst mal verunsichert, wenn sie „stationärer Aufenthalt“ hören. Oft ist eine stationäre Aufnahme aber sowohl für die Kinder und Jugendlichen als auch für die Eltern eine große Entlastung. Weil die Verantwortung nicht mehr allein bei dir und deiner Familie liegt und es guttut, professionell unterstützt zu werden. Ein stationärer Aufenthalt sorgt außerdem dafür, dass der Alltag (neu) strukturiert wird.

Und: Man kann in der Klinik ganz intensiv an bestimmten Problemen arbeiten und Stärken gezielt fördern und Erfahrungen mit anderen Kindern und Jugendlichen in der Gemeinschaft sammeln. Während des Aufenthalts kümmern sich Expert*innen mit unterschiedlichen beruflichen Hintergründen und Fähigkeiten (medizinischen, psychologischen, pädagogischen, therapeutischen) um dich; so ist eine individuelle Betreuung und Behandlung möglich.

Außerdem ist es gut, dass du dich über mehrere Wochen in unterschiedlichen Situationen erlebst und bei Schwierigkeiten gleich Hilfe bekommst. Das entlastet dich.

465 19 01 Station re Behandlung Depression behandeln
Österreich und Schweiz: In Österreich und in der Schweiz ist der Ablauf einer stationären Behandlung zu der in Deutschland ähnlich. Die Bezeichnung der Klinikschulen kann länderspezifisch etwas variieren. In Österreich spricht man auch von Heilstättenschulen; in der Schweiz von Spitalschulen.